Die Abschätzung der Brustkrebs-Prognose hängt von einer Reihe von Tumormerkmalen ab, darunter die Tumorgröße, der Tumortyp sowie der Grad der Bösartigkeit des Tumors. Um das Rückfallrisiko bei Brustkrebs zu bestimmen, werden Patientinnen unter Berücksichtigung der verschiedenen gesicherten Faktoren für die Brustkrebs-Prognose in drei Risikogruppen (niedriges, mittleres und hohes Risiko) unterteilt.
Tumormerkmale für die Abschätzung der Brustkrebs-Prognose
Die aktuell für die Abschätzung der Brustkrebs-Prognose wichtigsten Tumormerkmale sind:
- das Ausbreitungsstadium und die Größe des Tumors,
- der feingewebliche (histologische) Tumortyp,
- der Grad der Bösartigkeit (Tumor-Grading),
- das Eindringen des Tumors in Gefäße (Gefäßinvasion) und
- verschiedene biologische Eigenschaften, die sich durch spezielle Untersuchungen am Tumorgewebe feststellen lassen.
Zu letzterem Punkt zählen in erster Linie die Ausprägung von Hormonrezeptoren und von so genannten Her2-Rezeptoren. Verschiedene Merkmale, die zum großen Teil aber noch nicht zur Routinediagnostik gehören, können auf eine gesteigerte Zellteilungsaktivität oder Metastasierungsfähigkeit hinweisen. Die aktuelle Forschung beschäftigt sich auch mit der Aussagekraft von so genannten Genprofilen: Das Muster aktiver Gene erlaubt, so die bisherigen Ergebnisse, ebenfalls Rückschlüsse auf das Rückfallrisiko bei Brustkrebs und den Behandlungsbedarf.
Im Folgenden finden Sie detaillierte Informationen zu den Faktoren, welche die Brustkrebs-Prognose beeinflussen.
Ausbreitungsstadium und Tumorgröße
Der Zusammenhang zwischen Tumorgröße und Brustkrebs-Prognose ist seit langem bekannt: Je größer, desto ungünstiger. Auch die Wahrscheinlichkeit des Befalls von Lymphknoten in der Achselhöhle ist umso höher, je größer der Tumor bei der Diagnosestellung war. Werden Tumorzellen in den Lymphknoten der Achselhöhle gefunden (Lymphknotenmetastasen), so überwiegt deren prognostische Aussagekraft über die Tumorgröße. Das heißt, das Rückfallrisiko wird wesentlich deutlicher durch den Lymphknotenbefall angezeigt als durch die Tumorgröße für sich allein.
Lymphknotenbefall in der Achselhöhle
Der Zustand der Lymphknoten in der Achselhöhle (so genannter axillärer Lymphknotenstatus), d. h. ob und wie viele Lymphknoten von Tumorzellen befallen sind, ist der stärkste bekannte prognostischen Faktor für den wahrscheinlichen Verlauf einer Brustkrebserkrankung. Lymphknotenmetastasen sind dabei nicht gleichbedeutend mit einer metastasierten Brustkrebserkrankung. Dieser Begriff ist für das Vorliegen von Metastasen in entfernten Organen reserviert, und diese Situation ist bei der Erstdiagnose von Brustkrebs nur in wenigen Fällen gegeben. Der Befall von Achsellymphknoten wird als örtliche Ausbreitung des Tumors angesehen. Je mehr Lymphknoten befallen sind, desto höher ist das Rückfallrisiko.
Man nimmt heute an, dass der Lymphknotenstatus sowohl Ausdruck des „Alters“ des Tumors als auch seines biologischen Verhaltens ist. Ein Lymphknotenbefall kann bei einem langsam wachsenden Tumor mit relativ geringer biologischer Aggressivität auftreten, wenn dieser zum Diagnosezeitpunkt schon eine beträchtliche Größe angenommen hat. Dies ist aber auch schon bei noch kleinen, aber biologisch aggressiven Tumoren möglich, deren Zellen eine starke Tendenz aufweisen, sich aus ihrem Gewebeverband zu lösen und in Lymphspalten einzubrechen. Unter Lymphknotenmetastasen versteht man Tumorzellnester, die schon eine messbare Größe erreicht haben. Die Bedeutung einzelner Tumorzellen in Lymphknoten, die sich nur mit speziellen, sehr feinen Methoden nachweisen lassen, ist noch nicht klar und wird im Rahmen von Studien untersucht. Ein solcher Befund wird derzeit nicht als Lymphknotenmetastase gewertet.
Feingeweblicher Tumortyp
Auch der histologische Typ des Tumors lässt in begrenztem Maße Rückschlüsse auf das Rückfallrisiko zu. Die beiden häufigsten Tumortypen, das invasive duktale (50 bis 75 Prozent) und das invasive lobuläre (5 bis 15 Prozent) Mammakarzinom, haben allerdings im vergleichbaren Stadium ein vergleichbares Rückfallrisiko. Im Vergleich dazu prognostisch etwas günstiger sind einige insgesamt seltene Tumorformen, etwa das tubuläre, das kribiforme, das muzinöse, das medulläre und das adenoid-zystische Mammakarzinom.
Für die Brustkrebs-Behandlung spielt der histologische Typ für sich genommen derzeit keine Rolle. Allerdings lassen sich mit neuen molekularbiologischen Methoden jenseits der „klassischen“ feingeweblichen Merkmale Tumortypen unterscheiden, die auch Unterschiede hinsichtlich der Brustkrebs-Prognose und der Ansprechwahrscheinlichkeit auf die verschiedenen Therapieverfahren aufweisen. Dies könnte zukünftig ebenfalls helfen, die Brustkrebs-Prognose abzuschätzen und die Behandlung zu planen.
Tumor-Grading
Das Tumor-Grading ist ein Maß für den Ausreifungsgrad (Differenzierung) der Tumorzellen und sagt aus wie stark die Zellen normalen Brustdrüsenzellen ähneln bzw. wie weit sie sich in ihrem Erscheinungsbild in Richtung Bösartigkeit davon entfernt haben. Das Grading ist ebenfalls einer der Prognosefaktoren mit gesicherter Bedeutung für die Behandlungsplanung. Es berücksichtigt die Ausbildung bestimmter brustgewebetypischer Strukturen, das Aussehen der Zellkerne sowie die Zellteilungsraten. Man unterscheidet drei Stufen:
- G1 heißt „gut differenziert“
- G2 heißt „mittelgradig differenziert“
- G3 heißt „schlecht differenziert“
Etwa 60 von 100 Tumoren werden als G2 eingestuft. Nach neueren molekularbiologischen Untersuchungen scheinen sich in dieser Gruppe jedoch auch Tumoren zu verbergen, die sich biologisch eher wie G1 oder auch wie G3 Tumoren verhalten und einen günstigeren oder ungünstigeren Verlauf zeigen. Vor allem der Lymphknotenstatus sowie die biologischen Prognosefaktoren helfen, diese G2-Tumoren besser zu charakterisieren und einschätzen zu können.
Eindringen von Tumorzellen in Gefäße
Der Nachweis des Einbruchs von Tumorzellen in umliegende Lymph- oder Blutgefäße (Gefäßinvasion) weist auf eine ungünstigere Brustkrebs-Prognose hin. Sind allerdings auch Lymphknoten in der Achsel befallen, scheint diese Beobachtung keine zusätzliche Information bezüglich der Brustkrebs-Prognose zu liefern. Das ist eigentlich logisch, da der Tumorbefall der Achsellymphknoten die Wanderung der Tumorzellen durch Lymphgefäße ja voraussetzt. Somit ist die Gefäßinvasion nur von Bedeutung, wenn noch keine Lymphknoten befallen sind.
Hormonempfindlichkeit und Hormonrezeptorstatus
Wie normale Brustdrüsenzellen können auch die daraus entstandenen Krebszellen durch die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron in ihrem Wachstum gefördert werden. Die Wirkung der Hormone wird über spezielle Bindungsstellen, fachsprachlich Rezeptoren, in die Steuerungszentrale der Zelle vermittelt. Lassen sich Östrogen- und/oder Progesteronrezeptoren in den Zellen nachweisen, bedeutet dies, dass ihr Wachstum durch diese Hormone gefördert wird.
Der Nachweis der Hormonrezeptoren erfolgt üblicherweise durch eine spezielle Anfärbung des Gewebepräparats. Zeigen mindestens 10 Prozent der Zellen eine Färbereaktion für Hormonrezeptoren, gilt der Tumor als eindeutig hormonempfindlich, bei einer geringeren, aber doch nachweisbaren Anfärbung als fraglich hormonempfindlich. Keine Anfärbung bedeutet dagegen Hormonunempfindlichkeit.
Der Hormonrezeptorstatus bzw. die Hormonempfindlichkeit des Tumors hat zumindest auf einige Jahre gesehen einen Einfluss auf die Brustkrebs-Prognose: Das Rückfallrisiko ist bei Tumoren mit Hormonrezeptoren im Vergleich zu solchen ohne Rezeptornachweis besonders in den ersten beiden Jahren nach der Operation zwar erhöht. Tritt aber in dieser Zeit kein Rückfall ein, steigt die Chance, auch weiterhin ohne Rückfall zu bleiben. Bei hormonrezeptorpositiven Tumoren kommt es in den ersten Jahren seltener zu einem Rückfall, aber das Risiko hält über die Jahre weiter an. Nach mehr als 5 Jahren gleicht sich die Prognose hormonempfindlicher und nicht hormonempfindlicher Tumoren an, und noch später wird sie bei fehlender Hormonempfindlichkeit sogar besser, sofern eine längere Zeit ohne Rückfall verstrichen ist.
Wichtiger als für die Brustkrebs-Prognose ist das Vorhandensein oder Fehlen von Hormonrezeptoren für die Voraussage des Ansprechens auf eine antihormonelle Therapie: Der Grad der Hormonempfindlichkeit gilt deshalb heute als ein entscheidendes Kriterium für die Behandlungswahl. Er bestimmt, ob eine Therapie mit Antihormonen wirksam ist oder nicht (prädiktiver Faktor). Bei hormonempfindlichen Tumoren lässt sich das Rückfallrisiko durch eine antihormonelle Therapie, die den durch die Hormone vermittelten Wachstumsreiz auf die Zelle unterdrücken, deutlich senken, während sie bei hormonrezeptornegativen Tumoren keinen Nutzen hat: Diese sprechen besser auf eine Chemotherapie an.
Her2/neu-Rezeptor
Bei etwa 20 bis 25 von 100 Patientinnen weisen die Krebszellen in verstärktem Maß so genannte Her2neu-Rezeptoren auf, über die Wachstums- und Überlebenssignale in die Zelle geleitet werden. Her2 bedeutet „humaner (menschlicher) epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor Nummer 2“. Es hat sich gezeigt, dass die vermehrte Ausprägung (Überexpression) dieser Her2-Rezeptoren auf einen aggressiveren Tumor schließen lässt. Ähnlich wie die Hormonrezeptoren hat das Vorhandensein des Her2neu-Rezeptors einen sehr starken voraussagenden (prädiktiven) Wert für das Ansprechen auf eine gezielte Behandlung, in diesem Fall mit dem Antikörper Trastuzumab (Herceptin®), der die Funktion des Rezeptors blockiert und die Signalweiterleitung unterbindet.
Die Her2/neu-Ausprägung wird ebenfalls mit einem Färbeverfahren gemessen und als Her2-negativ und Her2-positiv der Ausprägung 1+, 2+ oder 3+ angegeben. Dies sagt aus, welche Mengen des Rezeptors auf der Zelloberfläche vorhanden sind. 3+ zeigt dabei die stärkste Ausprägung an, die ein Ansprechen auf die Antikörpertherapie wahrscheinlich macht, dies versteht man im allgemeinen unter Her2/neu positiv. Bei Tumoren, die nur eine mittelgradige Expression (2+) aufweisen ist eine spezielle Zusatzuntersuchung sinnvoll, die die Zahl der Kopien des Her2neu-Gens im Zellkern misst (FISH = Fluoreszenz in situ Hybridisierung). Mit diesem Verfahren lässt sich bei etwa 25 von 100 der 2+-Patientinnen dann eine Vermehrung des Gens feststellen, und bei diesen ist eine Herceptin-Behandlung ebenfalls sinnvoll. Die Bestimmung des Her2/neu-Status soll heute bei jeder Brustkrebspatientin durchgeführt werden.
Patientinnen, deren Tumorzellen eine starke Ausprägung des Her2neu-Rezeptors auf der Zelloberfläche zeigen (Her2 3+) oder bei denen in der FISH-Untersuchung zahlreiche Kopien des Her2neu-Gens in der FISH-Untersuchung nachweisbar sind, erhalten zusätzlich zu Hormon- und/oder Chemotherapie eine Antikörpertherapie mit Trastuzumab (Herceptin®).
Wie groß ist das Risiko eines Krankheitsrückfalls?
Experten haben auf Grundlage der Ergebnisse einer Vielzahl von Studien unter Berücksichtigung der verschiedenen gesicherten Prognosefaktoren eine Einteilung in drei Risikogruppen – niedriges, mittleres und hohes Risiko – vorgenommen. Diese Einteilung, die anhand neuer Studienergebnisse und Erkenntnisse immer wieder überprüft und bei Bedarf angepasst wird, leitet zusammen mit den prädiktiven Faktoren, die das Ansprechen auf bestimmte Behandlungsmethoden abschätzen helfen, das weitere Vorgehen. Sie wird aktuell anhand folgender Merkmale vorgenommen:
- Lymphknotenstatus
- Her2/neu-Status
- Tumorgröße
- Tumor-Grading
- Eindringen des Tumors in Gefäße in der Umgebung des Tumors
- Alter der Patientin
Niedriges Risiko
Kein Lymphknotenbefall und alle folgenden Kriterien erfüllt:
- Tumorgröße unter 2 cm (viele Experten beurteilen das Risiko bei Tumoren unter 1 cm auch bei höherem Grading und bei jüngeren Patientinnen generell als gering.)
- Grading = G1
- Kein Eindringen des Tumors in Gefäße
- Her2neu negativ
- Alter > 35 Jahre
Mittleres Risiko
Kein axillärer Lymphknotenbefall und mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt:
- Tumorgröße über 2 cm
- Grading 2 oder 3
- Einbrechen des Tumors in umgebende Gefäße
- Her2neu-positiv
- Alter unter 35 Jahre
Oder:
- 1-3 befallene axilläre Lymphknoten und
- kein Eindringen des Tumors in umgebende Gefäße und
- Her2neu-negativ
Höheres Risiko
- 1-3 axilläre Lymphknoten befallen und
- Her2neu-positiv
Oder: 4 und mehr axilläre Lymphknoten befallen
Autoren:
Prof. Dr. med. Prof. h.c. Christof Sohn
Dr. med. Florian Schütz